Interview mit Katja van Steenkiste, Hebamme und Stillberaterin IBCLC, Lansinoh Healthcare Marketing
Wir sprechen mit Katja van Steenkiste, Hebamme und Stillberaterin IBCLC, Lansinoh Healthcare Marketing, über die Leidenschaft für ihren Beruf, die aktuellen Missstände in der Geburtshilfe und erhalten Tipps und Tricks rund ums Thema Stillen.
1. Du bist Hebamme und Stillberaterin, was macht dich an diesem Beruf so glücklich und warum ist er so wichtig?
Es macht mich sehr glücklich, Familien beim (Zusammen-)Wachsen zu begleiten. Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett sind sensible Phasen im Leben einer Frau. Hier braucht es viel Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis. Hebammen sind Spezialisten für diese Zeit.
Mit viel Herzlichkeit und Fachwissen unterstützen wir Hebammen die Familien.
Das stimmt. Nicht nur die Babys profitieren vom Stillen. Auch für die Mütter gibt es viele gesundheitliche Vorteile. Stillende Mütter haben seltener Wochenbettdepressionen. Die Gebärmutter bildet sich schneller zurück. Weniger bekannt ist, dass Stillen das mütterliche Risiko für Brustkrebs und Diabetes senkt. Mütter, die stillen, erreichen übrigens auch schneller ihr Ausgangsgewicht zurück. Das ist vielen Mamas wichtig.
3. Wie unterstützt du Mamas beim Stillen?Schon in der Schwangerschaft spreche ich viel mit ihnen über das Leben mit einem Neugeborenen. Viele Frauen sind überrascht, wie anstrengend die erste Zeit mit Baby ist. Das Wissen darüber hilft schon sehr. Wenn das Baby da ist, stehe ich den Familien im Rahmen der Hebammenbetreuung mit Rat und Tat zur Seite. Hilfe beim Anlegen oder bei schmerzenden Brustwarzen gehört genauso dazu wie Gespräche über die aktuellen Fragen der Eltern.
4. Jede Frau hat das Recht sich fürs Stillen oder fürs Flasche geben zu entscheiden. Wie hilfst du Mamas, die Stillen möchten, aber nicht können?Ich gehe immer den Weg mit, den die Familien gewählt haben. Wenn sich Frauen gegen das Stillen entscheiden oder es Probleme beim Stillen gibt, versuche ich mit den Eltern Möglichkeiten zu finden, die für sie passen. Wenn das Stillen nicht klappt, brauchen die Mütter oft psychische Unterstützung, weil sie sich Vorwürfe machen. Dann bin ich selbstverständlich für sie da.
5. Wie kann man die Milchproduktion anregen?Die Milchproduktion wird durch das Saugen des Babys an der Brust angeregt. Die Babys sollten also möglichst oft angelegt werden und ihre Saugbedürfnis an der Brust stillen dürfen. Manchmal ist es notwendig, zusätzlich mit einer Milchpumpe abzupumpen. Nicht zu unterschätzen sind ausreichend Ruhe für Mutter und Kind und möglichst viel Hautkontakt zwischen den beiden, denn auch das unterstützt die Milchbildung.
6. Wie sind die ersten Schritte beim Stillen?Am besten beginnen die Mütter möglichst schnell nach der Geburt mit dem Stillen. Innerhalb von zwei Stunden wäre ideal. Die Hebammen im Kreißsaal unterstützen die Frauen dabei, indem sie beim Anlegen helfen und eine gute Stillposition für die Mama finden. Nach der Zeit im Kreißsaal sollten die Frauen pro 24 Stunden 8-12 Mal stillen.
7. Wie oft sollte man sein Kind am Tag/ in der Nacht stillen?In 24 Stunden sollte 8 bis 12 Mal gestillt werden. Es ist aber auch vollkommen normal, wenn es häufiger ist. Zwischen Tag und Nacht unterscheiden Neugeborene noch nicht. Grundsätzlich sollte gestillt werden, wenn das Baby Hungersignale von sich gibt, also nach Bedarf des Kindes.
8. Ab wann kann / sollte man eine Milchpumpe zur Hilfe nehmen? Was sollte man dabei beachten?Tatsächlich ist das von Frau zu Frau verschieden. Es gibt Frauen, die bereits im Krankenhaus mit der Milchpumpe beginnen müssen. Das passiert zum Beispiel, wenn das Baby zu früh geboren wird oder aus anderen medizinischen Gründen auf eine Kinderstation muss. Viele Frauen beginnen nach ein paar Wochen mit kurzen außer Haus Terminen ohne Kind, beispielsweise mit dem Rückbildungskurs. Dann wird gelegentlich abgepumpt. Je nachdem für welchen Zweck das Abpumpen benötigt wird, sollte mit der Hebamme oder Stillberaterin der genaue Ablauf besprochen werden. Grundsätzlich gilt, dass die Frau beim Abpumpen entspannt sein sollte. Eine wärmende Auflage auf der Brust kann den Milchfluss erleichtern. Der Duft des Babys (an einem Kleidungsstück oder der Babydecke) oder ein Foto des Kindes kann ebenfalls zum erfolgreichen Abpumpen beitragen.
9. Hast du Tipps gegen Schmerzen beim Stillen?Stillen sollte nicht weh tun. Der häufigste Grund für schmerzende Brustwarzen ist das falsche Anlegen. Darum sollte hier von Anfang an auf eine korrekte Technik geachtet werden. Die betreuende Hebamme kann hier viel Unterstützung geben. Manchmal hat es auch andere Ursachen, wenn die Brustwarzen empfindlich sind. Dann kann eine Beratung bei der Hebamme oder Stillberaterin ebenfalls nützlich sein. Auf jeden Fall sollte bereits ab dem ersten Stillen mit einer entsprechenden Pflege der Brustwarzen begonnen werden.
10. Das Thema „Stillen in der Öffentlichkeit“ wird ja immer wieder heiß diskutiert. Wie stehst du dazu und was rätst du Mamas, die sich dabei nicht ganz wohl fühlen?Für manche Mütter ist das Stillen in der Öffentlichkeit wirklich ein Problem. Allerdings ist das meist unbegründet. Stillen ist die natürliche Ernährung unserer Kinder. In der Öffentlichkeit kann die Mutter einen Stillschal nutzen oder eine ruhige Ecke im Restaurant wählen. Häufig ist das eigene Auto in der Nähe und man kann sich dorthin zurückziehen. Umkleidekabinen dürfen auch häufig benutzt werden, wenn vorher mit dem Personal gesprochen wird. Auf keinen Fall sollte sich eine stillende Mutter zum Stillen auf die Toilette schicken lassen. Wenn das Baby schon etwas älter ist, kann auch abgepumpte Muttermilch mit einem Fläschchen gefüttert werden. Bei längeren Ausflügen muss nur daran gedacht werden, dass die Muttermilch aus der Brust mit einer Handmilchpumpe abgepumpt wird. Andernfalls könnte ein Milchstau drohen.
11. Die Missstände in der Geburtshilfe und die schlechten Arbeitsbedingungen machen es immer schwerer für frischgebackene Mamas eine Hebamme zu finden. Wie können sich Frauen beraten lassen, die keine Hebamme fürs Wochenbett gefunden haben?
Es ist mitunter sehr schwierig für Schwangere, eine Hebamme für die Schwangerschafts-begleitung und Wochenbettbetreuung zu finden. Besonders in Ballungsräumen gibt es da große Probleme. Die Suche über das Internet ist eine gute Möglichkeit. Mittlerweile gibt es einige Webseiten (z.B. hebammensuche.de), die eine Hebammensuche anbieten. Ich empfehle immer, sich zu Beginn der Schwangerschaft bei Freundinnen und Bekannten umzuhören und möglichst schnell, mit der Hebamme Kontakt aufzunehmen.
12. Gibt es den perfekten Zeitpunkt zum Abstillen?Den perfekten Zeitpunkt zum Abstillen bestimmen Mutter und Kind gemeinsam. Die WHO empfiehlt das ausschließliche Stillen für 6 Monate und dann nach Einführung der Beikost auch noch nach dem zweiten Geburtstag oder solange es Mutter und Kind Freude macht.
13. Was möchtest du jungen Müttern für die Stillzeit mit auf den Weg geben?Stillen ist etwas ganz Besonderes zwischen einer Mama und ihrem Kind. Gerade am Anfang ist es nicht immer einfach. Daher lautet mein Rat: Bleibt geduldig und seid nicht zu streng mit Euch! Gebt dem Bedürfnis Eures Babys nach und verlasst Euch auf Euer Bauchgefühl!
Liebe Katja, wir danken dir für das informative Interview und dein Expertinnenwissen rund ums Thema Stillen.